Eva-Maria Walch
Köchin und Inhaberin der Osteria del Cardinale, Italien
„In der Küche bist du nackt. Du kannst dich nicht verstecken und gibst ein Stück von dir auf den Teller. Das schmecke ich und das spürt der Gast. In der Küche kannst du deine Gefühle nicht faken.“
„In der Küche bist du nackt. Du kannst dich nicht verstecken und gibst ein Stück von dir auf den Teller. Das schmecke ich und das spürt der Gast. Im Service interagiert man mit dem Gast und spielt teilweise eine gewisse Rolle. In der Küche kannst du deine Gefühle nicht faken. Kochen berührt mich direkter. Das geht natürlich mit Druck und Stress einher, den ich mir dabei selbst auferlege, da ich jeden Tag das Beste für meine Gäste geben möchte!“
Eva-Maria wuchs in Stuben am Arlberg in einem Hotelbetrieb auf und wusste sehr bald, dass sie niemals in der Gastronomie arbeiten möchte. Ihre Studien der Theaterwissenschaften, Französisch und Germanistik führten sie nach Wien, wo sie sehr glücklich über Umwege in der Werbebranche landete und für große Unternehmen arbeitete. Damals, 20 Jahre alt, traf sie auf einen sehr klugen Mann, der ihr mit auf den Weg gab, die Arbeit im heimischen Familienbetrieb wenigstens zu versuchen, weil sie es sonst bereuen würde. Und wirklich brach Eva-Maria in Wien alle geliebten Zelte ab und ging zurück an den Arlberg. „Meine Eltern standen damals schon kurz vor der Pension und wollten das Hotel verkaufen. Ich merkte sehr schnell, dass ich weder Bilanzen, Buchungsprogramme noch Betriebswirtschaft konnte und holte dann während des laufenden Betriebes die Unternehmerakademie der ÖHV und eine Sommelierausbildung mit 23 Jahren nach. Leider stand dann ein großer Investitionsbedarf ins Haus und ich wusste, dass ich alleine kein 70 Bettenhaus mit À la Carte Restaurant und Bar führen und mich vor allem dermaßen verschulden konnte.“
„Wie es der Teufel so wollte, fanden wir sehr schnell einen Käufer, den ich dann heiratete und wir das Hotel zehn Jahre lang gemeinsam führten. Beruflich waren wir erfolgreich, privat leider nicht. Nach unserer Trennung stand ich plötzlich heimatlos vor einem Scherbenhaufen. Meine Säulen: Beruf, Beziehung und mein soziales Umfeld waren plötzlich nicht mehr vorhanden. Ich ging nach St. Moritz und arbeitete dort in der Administration und im Service. Mein großes Glück jedoch war, dass ich in den Jahren zuvor immer in unserer Sommerpause in Sternerestaurants als Praktikantin in der Küche gearbeitet hatte und so die Basis des Kochens konnte.“
Sie lernte ihren heutigen Mann kennen, der selbst in Österreich ein Hotel führt. „Er sprach von Anfang an von einem kleinen Haus in Italien, das er vor 20 Jahren gekauft hatte und das eigentlich sein zu Hause sei. Mir war schnell klar, wenn ich eine langfristige Beziehung mit ihm eingehen möchte, musste ich mir dieses Cartoceto genauer ansehen, denn er erwähnte bei jeder Gelegenheit, dass er sein Leben langfristig dort verbringen möchte. Er hat mich dann hierher gebracht und es hat all meine Nerven getroffen. Ich verliebte mich Hals über Kopf in die Landschaft, die Menschen, einfach alles. Und so kam ich unter der Bedingung, hier selbst etwas arbeiten zu können, an diesen unverwechselbaren Ort. Mein Mann sagte, hier hast du die Schlüssel zur Osteria und sperr auf. Und wirklich ging er zur Wintersaison zurück nach Österreich und ich eröffnete die Osteria del Cardinale in Cartoceto 2019.“
„Es klingt zwar kitschig, aber ich habe das gefunden, was ich immer schon machen wollte. Die Osteria hat den Riesenvorteil, dass ich ausschließlich mit lokalen Produkten arbeiten kann. Hier in dieser Gegend wächst einfach alles, was du dir nur wünschen kannst. Wir haben einen eigenen Garten und ich kaufe nichts außerhalb eines Umkreises von 20 km. Dies alles ist den ländlichen Strukturen hier geschuldet. Wir haben das Meer vor der Türe und mein Nachbar hat Ziegen und ist einer der besten Ziegenkäsehersteller des Landes. Das Glück hat mich in diese Gegend hineingeworfen. Ich schwimme in einem unerschöpflichen Pool an Dingen, die mich tagtäglich zu neuen Gerichten inspirieren. Mit meinen vier Hunden bin ich täglich mehrmals in der Natur und stecke mir dabei Wiesenkräuter in den Mund, die nur noch die alten “Mutterln” hier kennen. Diese lokalen Produkte animieren mich zu tollen Gerichten und das ohne großen Aufwand.“
Auch die örtliche Gemeinschaft hat sie von Anfang an aufgenommen und umarmt. Ihr Mann genoss einen Vertrauensvorschuss, den sie nutzen konnte, aber das Alleinsein vor Ort beschleunigte die Integration enorm. Als ganzjähriger Betrieb leben sie von den kulinarisch neugierigen Städterinnen und Städtern aus der näheren Umgebung. „Die Bevölkerung bei uns am Land isst sehr gerne traditionell und interessiert sich wenig für Fine-Dining. Von Mai bis Oktober spüren wir dann noch den sanften Tourismus in unserer Region. Da ich alleine in der Küche stehe und nur eine Person im Service habe, besteht unser Kontingent nur aus 15 Plätzen.“
Neue Ideen holt sie sich in den traditionellen Küchen ihrer Region. Es gibt Zutaten wie den wilden Fenchel, den bei uns in Österreich niemand kennt und der hier seit Jahrhunderten zum Würzen eines jeden Gerichts verwendet wird. „Ich nehme diese Produkte auf und mache daraus meins. Aus dem Fenchel bereite ich zum Beispiel eine Mayonnaise zu. Meine Gäste sagen dann: „Ich kenne den Geschmack, aber was ist das?“
Mit diesen Dingen spielt Eva-Maria dann gerne. „Das ganze Land ist mit Hollunderbüschen und Hagebutten überzogen, aber keiner verwendet sie. Ich ernte leidenschaftlich gerne und spiele dann mit meiner österreichischen Tradition und meinem internationalen Wissen. In unserer ländlichen Gegend ist somit innovatives Kochen sehr einfach“, lacht die Küchenchefin. „In einer mitteleuropäischen Stadt würdest du nicht auffallen, aber hier schon und das mit kompromisslos regionaler Küche.“
Sie selbst bewundert authentische Menschen, die zu 100 % ihren Bedürfnissen und Wünschen folgen, egal ob sie dabei gesellschaftlich auf Gegenliebe stoßen. Ihre 89 Jahre junge Nachbarin zum Beispiel, weiß ganz genau, was sie will und trägt soviel mehr Lebensweisheit in sich als so manch weitgereister Wunderwuzzi. „Das inspiriert mich. Wir haben es hier einfacher als in Österreich, da wir diese Show und das Standing nicht brauchen.“
Ein Geschmack, der sie zuletzt tief berührt hat, war ein Senfgewächs am Straßenrand. „Wie immer stecke ich mir beim Gassigehen so ziemlich alles in den Mund, das ich nicht kenne und gucke, ob es mir schmeckt. Dieser frische Geschmack hat mich tief berührt. Wie kann ein so alltäglicher Anblick so wunderbar schmecken? Über meine Plant-App fand ich heraus, dass es ein Senfgewächs war, dass hier wie Unkraut überall wächst. Daraus muss ich etwas machen.“
Welche Zutat darf in deiner Küche nicht fehlen?
Olivenöl. Von hier aus Cartoceto kommt das mitunter beste Olivenöl Italiens. Es ist das einzige DOP Olivenöl in den gesamten Marken. Ich koche, brate, backe einfach alles damit, außer bei Süßspeisen. Obwohl, auch hier verwende ich es – ein Klassiker ist meine Schokomousse, welche ganz ohne Sahne auskommt, sondern nur aus Schokolade, Eiern und Olivenöl besteht, mit einer Prise grobem Salz obendrauf und einem Dash Ölivenöl drüber – ein Traum! Und bevor ich auf Olivenöl verzichten müsste, ließe ich lieber das Salz stehen.
Mit welchen Frauen aus der Kulinarik Branche arbeitest du gerne zusammen?
Ich habe gerne mit Paula Bosch gearbeitet. Die erste Sommelière Deutschlands in der Sternegastronomie. Mehr Professionalität, Expertise, Wissen und Hingabe zum Beruf geht nicht. Sie musste doppelt so gut sein, wie ihre männlichen Pendants und leider ist das heute noch so in allen Metiers. Und selbst dann ist nicht gesagt, dass man den Erfolg und die Reichweite hat, die man verdient. Paula ist es gelungen, sich dieses wohlverdiente Gehör zu verschaffen und sie hat eine Lanze für uns Frauen gebrochen, in einem damals noch – ausschließlich männlich besetzten Fachbereich. Das war kein Zuckerschlecken. Dafür gebührt ihr mein größter Respekt.
Themen
- Kräuter, regionale Produkte
- Trau dich als Frau, du selbst zu sein. Wir sind so erzogen worden, dass wir allen anderen gefallen müssen, sowohl optisch wie auch zwischenmenschlich. Wir sollten lernen, zu uns selbst zu stehen, auch wenn das nicht dem entspricht, was von unser erwartet wird. Das wäre ein tolles Thema, über das wir viel öfters sprechen sollten. Daraus entstünden gemeinsame Energien, die zu ganz viel Inspiration führen würde.
Kontakt
Eva-Maria Walch
Osteria del Cardinale
via Umberto I., 12/14
61030 Cartoceto (PU)
Telefon: +39-380-2025920
https://www.osteriadelcardinale.com
Unsere Azienda Agricola: https://galiardi.it/