Bernadette Bayrhammer
Foodjournalistin, DIE PRESSE
„Geschichten, die sich mit der Zukunft unseres Lebensmittelsystems auseinandersetzen, finde ich nicht nur spannend, sondern auch extrem bedeutsam.“
Mein jugendliches Ziel war es ja, UNO-Generalsekretärin zu werden. Stattdessen schreibe ich jetzt seit 15 Jahren für DIE PRESSE, seit zehn Jahren neben politischen immer wieder über kulinarische Themen und seit etwa zwei, drei Jahren mehr über Essen, Trinken und Gastronomie als über alles andere. Von der ursprünglichen Leidenschaft geblieben: viele Sprachen – und ein französischer Mann.
Ein paar Beispiele: einen Tag mit Dreisterneköchin Hélène Darroze verbringen. Ein unscheinbares ukrainisches Lokal mit großartigem Essen entdecken. Mit Konstantin Filippou einen Burger essen. Zusammengefasst: Die Möglichkeit, so viele – oft seltene, ungewöhnliche, schwer zugängliche – Dinge kennenzulernen, zu erfragen, zu erleben, zu erschmecken und das alles den Leserinnen und Lesern zu erzählen.
Die allerbesten Ideen entstehen beim eigenen Erleben: bei Spaziergängen durch die Stadt, mit der Gabel in der Hand, am eigenen Herd oder bei mitunter unerwarteten Gesprächen. Aber – so ehrlich muss man sein: natürlich auch immer wieder aus dem Socialmediafeed.
Ich beschäftige mich aktuell viel mit der Zukunft unserer Lebensmittel, auch mit den entsprechenden Technologien. Das verbinden die wenigsten Menschen direkt mit Genuss – eher im Gegenteil, bei vielen löst etwa das Stichwort In-Vitro-Fleisch eher einen Bäh-Reflex aus -, die Beschäftigung damit ist aber unglaublich wichtig. Auch, um in Europa nicht bloß Passagier dieser Neuerungen zu sein.
War es der erste Ferienjob in der Küche des lokalen Altersheims, in dem die Morgen mit dem Trennen von 140 Eiern begannen (ja, echte Eier)? Waren es die vielen Nächte hinter einer Bar während des Studiums? Oder das neunfach multiplizierte Kuchenrezept auf einer Berghütte? Alles ein bisschen, wahrscheinlich. Irgendwann im Lauf meines Lebenswegs hat sich für mich gezeigt, was in Essen und Trinken alles drinsteckt, von Genuss bis Politik, von Aromen, die einem jahrelang am Gaumen bleiben bis zu großen Zukunftsthemen.
Ich koche (und backe) gerne – seit ich Mutter bin, aber deutlich reduzierter als früher. Was im Kühlschrank nicht fehlen darf: Butter und Joghurt, Gojuchang und Dijonsenf. Und seit Kurzem immer im Regal: Erdnussbutter oder Erdnussmus, siehe nächste Frage.
Ich habe mich total in ein Gericht der chinesisch-österreichisch-deutschen Foodautorin Sissi Chen verliebt: die Erdnussbutternudeln, die sie vor einigen Monaten in der ZEIT vorstellte. Meine Version von dem Gericht, das in zehn Minuten auf dem Tisch steht, gibt es manchmal zweimal pro Woche: Es ist salzig-cremig-sauer-süß-scharf und jedes Mal ein kleines bisschen anders: je nach Nudeln und Löffelschwung bei den einzelnen Zutaten: herrlich.
Zwei sehr unterschiedliche Dinge finde ich aktuell sehr spannend: einerseits die Frage nach dem Essen und den Lebensmitteln der Zukunft, auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit. Das sind Themen wie In-Vitro-Fleisch, Milch und Ei durch Fermentation genauso wie urbane Landwirtschaft, neue Anbauformen oder nachhaltige Kreisläufe. Kulinarisch gesehen finde ich, dass Lateinamerika gerade an Schwung gewinnt, siehe nächste Frage.
Aktuell tut sich sehr viel in Lateinamerika beziehungsweise in den Küchen lateinamerikanischer Köchinnen und Köche quer durch die Welt. In zahlreichen Ranglisten sind sie deutlich nach vorne gerückt. In der Region gibt es unglaublich viele Möglichkeiten, die in Europa ausgebildete Köche nun nach und nach herauskitzeln – und die weit über Tacos und dergleichen hinausgehen.
Die Geschichten, die sich mit der Zukunft unseres Lebensmittelsystems auseinandersetzen, finde ich nicht nur spannend, sondern auch extrem bedeutsam. Bei den Porträts sind es immer jene der Menschen, die eine echte Leidenschaft antreibt. Und das sind in der kulinarischen Szene viele.
Gerne essen würde ich bei: A Casa Do Porco von der Brasilianerin Janaina Torres, die 2024 zur besten Köchin der Welt gekürt wurde, bei der kochenden buddhistischen Nonne Jeong Kwan, beim michelinsterngekrönten Nudelstand von Jay Fai in Bangkok und – damit ein Mann auch dabei ist: im Asador Etxebarri als Vorreiter der Feuerküche.
Mit dieser Frau würde ich gerne einmal am Tisch sitzen und plaudern?
mit Julia Child.
Welche Frauen sollten bei Female Chefs nicht fehlen?
- Die Frauen vom Female Wine Collective
- Judith Lergetporer von Z’Som
- Kochbuchautorin Katharina Seiser
- Lisa Machian vom Café Caché
- Ola Szwarcz
- Sophie Baumgartner von Am Roan
- Monika Liehl von Slow Food Burgenland
- Hanni Rützler
- Patissière Eveline Wild,
- mir würden wahrscheinlich noch ein paar Dutzend einfallen: to be expanded also …
Über diese Themen würde ich gerne auf einem Podium sprechen?
Zukunft des Essens und der Esskultur, Zukunft unserer Lebensmittel, Muttersein in der Arbeitswelt – in und außerhalb der Gastronomie