Claudia Ressi
Inhaberin Bärenwirt, Hermagor
„Der Ort, an dem du aufwächst, prägt dich dein ganzes Leben.“
Fotos © Bärenwirt
„Der Ort, an dem du aufwächst, prägt dich dein ganzes Leben.“ Claudia wuchs auf einem Bauernhof im Gailtal auf. Die Türen standen immer offen und jeder/jede war herzlich willkommen. Nachbarn, Freunde und Menschen, die am Hof arbeiteten, gingen ein und aus. „Das war einerseits angenehm und manchmal auch ziemlich anstrengend, gerade wenn wir Kinder im Sommer auf den Dachboden übersiedeln mussten, weil unsere Kinderzimmer an Gäste vermietet wurden. Aber dieses Gefühl, der ständige Kontakt zu den verschiedensten Menschen, begleitet mich schon mein ganzes Leben und macht mich heute aus. Ich habe wenig Berührungsängste zu fremden Personen.“
Mit 14 zog es Claudia dann aus dem Tal hinaus in die Schule nach Villach und danach weiter nach Wien. Während ihres BWL Studiums arbeitete sie in vielen Studierendenjobs und einer ist ihr in besonderer Erinnerung geblieben. Ihr Job in einem Telefonmarketing Call-Center. „Dort habe ich gelernt, auf die Stimme der Personen zu achten und eine Sympathie alleine über die Klangfarbe aufzubauen.“
Währenddessen lernte sie ihren Mann Manuel kennen, der damals im Steirereck Chef de Partie war. „Ich selbst koche und esse schon immer gerne. Dann kamen unsere beiden Töchter zur Welt und es stellte sich uns die Frage, wo wollen wir sie aufwachsen sehen? Zu zweit wären wir auf jeden Fall in Wien geblieben, aber mit den Kindern wollten wir die Natur vor der Haustüre haben. Wir sahen uns aber auf keinen Fall im Speckgürtel von Wien, sondern mit Kind und Kegel wieder zu Hause im Gailtal.“
Zurück im Tal gestaltete sich die Suche nach einem Arbeitsplatz vorerst schwierig. Aufgrund ihrer Überqualifizierung sei es eher unwahrscheinlich, hier im Tal einen Job zu bekommen, wurde ihr mitgeteilt. „Und dann stehst du da und fragst dich, was machst du? Zeitgleich hat mich dann mein alter Arbeitgeber aus Wien kontaktiert und ich durfte einen Sitz unseres Wiener Büros in Kärnten aufbauen. Der Sprung in die Gastronomie kam eigentlich erst 2015, als mein Mann das Angebot bekam, den Bärenwirt in Hermagor zu übernehmen. Mit meinen Erfahrungen aus der Gastro war mir sofort klar, entweder wir machen das als Paar gemeinsam oder ich werde ihn nicht mehr sehen. Und somit eröffneten wir Ende 2015 den Bärenwirt. Unsere Entscheidung bereuen wir bis heute nicht, obwohl die ersten Jahre beinhart waren.“
„Einheimische kamen am Anfang nicht zu uns. Wir starteten gleich als rauchfreies Lokal und uns sagte man nach, dass wir unsere Einheimischen somit überhaupt nicht bei uns haben wollten. Wir tanzten auf jedem Kirtag, um uns bekannt zu machen. Du bewegst dich auf ungewissen Terrain, probierst, versuchst und zweifelst. Es braucht sehr viel Kraft, die Zuversicht nicht zu verlieren, aber die Liebe zu dem, was ich tue, stand am Ende über allen Zweifeln. Es macht mir bis heute soviel Spaß, unter so vielen Menschen zu sein und ihnen eine feine Zeit zu bereiten.“
Wir wollen im Bärenwirt zeigen, wie wir unser Tal wahrnehmen. Die Vielseitigkeit unserer Umgebung, die Ruhe, die Frische und die Klarheit, die du beim Einatmen in der Früh spürst. In unserem Restaurant versuchen wir all diese Facetten erlebbar zu machen und unsere Gäste mit allen Sinnen zu berühren. Mein Mann zeigt dies am Teller und mein Serviceteam und ich mit unserer Liebe, die wir unseren Gästen entgegenbringen.
Heute ist unser Fokus klar, aber anfangs glaubten alle: „Jetzt kommen’s nach zehn Jahren zurück aus der Großstadt und wollen uns zeigen, wie’s läuft!“ Wir selbst wollten aber immer nur mehr Selbstbewusstsein in die Region bringen und der Welt zeigen, wie super es hier bei uns ist.
Aktuell beschäftigt Claudia die nachhaltigere Infrastruktur des Hauses. Da der Bärenwirt gepachtet ist, gilt es Investitionen gut abzuwägen. Wir möchten dieses Jahr eine PV-Anlage bauen. Da wir dieses Projekt nicht am Bärenwirt realisieren können, beschäftigen wir uns plötzlich mit Themen wie einer Energiegemeinschaft und dem Bau bei uns privat zu Hause. Wir versuchen uns einfach immer wieder selbst an der Nase zu nehmen und schauen, ob wir selbst schon mit unserem Handeln zufrieden sind, oder wo wir nachschärfen müssen. Wir hinterfragen ganz viel und versuchen, in die richtige Richtung zu gehen.
Neue Ideen und Inspiration hole ich mir durch Abstand zum Betrieb. Oft reichen schon drei Tage auf der Alm, um durchzuatmen und mit einer Außensicht auf die Dinge zurückzukehren. Auch die eigenen kurzen Urlaube inspirieren mich. Gerade eben waren wir am Gardasee. Ein kleines Hotel mit einer ausgesprochen liebevollen Gastgeberin. Von solchen Orten nehme ich besondere Ideen und Kraft mit.
Good vibes und positive Energie bekomme ich aber auch von unseren Gästen. Neulich stand ein Gast an der Bar und bekam das überaus positive Feedback von Gästen an unser Servicepersonal mit. Danach sagte er: „Ihr habt den schönsten Beruf der Welt.“ Er selbst säße in seinem Büro am Computer und bekäme nie ein so unmittelbares, schönes Feedback.“ Das zu hören, bestärkt mich jeden Tag aufs Neue.
Was hättest du gerne schon früher gewusst?
Ich habe viel zu spät den Kontakt zu anderen Frauen gesucht. Gespräche mit Menschen, die ich damals toll gefunden habe. Ich dachte mir immer, was wollen die schon mit einem Würstel wie mir reden? Aber diese Verbindungen hätten mir in den ersten Jahren des Bärenwirts unglaublich weitergeholfen, nicht nur ihr Erfahrungsschatz, sondern auch, dass jemand sagt: Das ist total normal, da musst du einfach durch, du schaffst das. Dieser Zuspruch hätte mir sehr viel Trauer und Niedergeschlagenheit erspart, oder sie wenigstens abgekürzt.
In der Zusammenarbeit als Ehepaar trifft man regelmäßig auf herausfordernde Situationen. Eine gemeinsame Führungskräfteweiterbildung hat viel Verständnis füreinander geschaffen. Das kann ich allen gemeinsam arbeitenden Paaren mit auf den Weg geben. Unser Umgang miteinander hat sich verändert, nicht nur positiv für uns, sondern auch für unsere Mitarbeitenden. Wir wissen jetzt, wo wir stehen und wissen, dass wir vom Gleichen reden. Es tut sicher gut, dieses oder ähnliche Seminare zu wiederholen, weil es enorm hilft, mit sich und mit anderen in unruhigen Zeiten umzugehen.
Ihre Kindheit schmeckt nach Röhrlsalat (Löwenzahn) und gerösteten Knödeln. Wir haben den Salat damals mit Verhackertem und Essig angerichtet und ich liebe ihn bis heute. In abgewandelter Form steht er aktuell auf unserer Speisekarte. Mein Mann und ich finden das Glück in der Einfachheit, das trifft die Sehnsucht von vielen Menschen.
Eine Sache, die in ihrer Küche nie fehlen darf, ist der Koch. Und die Schafmilchprodukte von Echt Kraß. Uli Petschacher ist eine unglaublich talentierte Produzentin aus unserer Region und ich liebe ihre Produkte.
Mit diesen Frauen tausche ich mich gerne aus...
- Uli Petschacher von echtkrass.at
- Marianne Daberer vom Biohotel Daberer
- Monika Müller von der Forelle am Weißensee
- Andrea Rainer vom Alpen Adria Hotel & Spa am Pressegger See
- Jasmin Eder vom Hotel Regitnig am Weissensee
- Christine Schwarzenbacher vom Arlbergerhof am Weissensee
- Elisabeth Warmuth-Liegl vom Gasthof Liegl am Hiegl aus St. Georgen
Mit welcher Frau würdest du gerne am Tisch sitzen und plaudern?
- In meinem Studium bin ich auf Bertha von Suttner gestoßen, die für ihre Zeit eine ungewöhnliche Frau war und wohl auch heute für inspirierende wie auch ungemütliche Denkanstöße sorgen würde.
Kontakt
Claudia Ressi
Bärenwirt und der kleine Bär
Haupstraße 17
9620 Hermagor
Tel. +43 4282 2052