Derya Metzler
Food Journalistin bei Gault&Millau
„Junge Menschen, die in schweren Zeiten, alles auf eine Karte setzen und für ihre Vision gehen, das begeistert mich und darüber möchte ich erzählen.“
Eine frische Stimme für die Kulinarik
Wenn man über jungen, kulinarischen Journalismus spricht, kommt man an Derya Metzler nicht vorbei. Aufgewachsen auf einem Bauernhof in Vorarlberg, entdeckte sie schon früh ihre Liebe zum Essen, inspiriert von der Küche ihres Vaters, einem leidenschaftlichen Koch, der zuletzt im Adler Grossdorf in Egg tätig war. Ursprünglich zog es sie nach Wien, um Journalismus und Kunstgeschichte zu studieren und beruflich über Kunst zu schreiben. Bald merkte sie jedoch, dass ihre wahre Leidenschaft in der Welt der Kulinarik liegt. Heute schreibt sie bei Gault&Millau aus einer jungen, frischen Perspektive und arbeitet daneben laufend an neuen Formaten, wie das kürzlich ins Leben gerufene Social Media-Projekt „Where Chefs Eat“.
Besonders inspiriert wird Derya von der jungen Generation der Wiener Gastronomieszene, deren Kreativität und Mut sie immer wieder begeistern. Das „Rosi“, ein altehrwürdiges Wirtshaus, das von einem jungen Paar restauriert wurde und nun fast ausschließlich vegetarische Gerichte serviert, ist für sie ein Paradebeispiel dafür, wie Tradition und Moderne verschmelzen können. Ebenso beeindruckt ist sie vom „Cafe Cache“, wo Lisa Machian auf unaufgeregte, aber herausragende Weise zeigt, wie köstlich Wohlfühlessen sein kann. Noch jünger, aber nicht weniger ambitioniert, sind die Gründer von „Das Drittl“, vier Gastronomen, die mit ihrer unkonventionellen Herangehensweise und purer Leidenschaft eine frische Perspektive in die Wiener Gastronomie bringen.
„Diese jungen Menschen setzen alles auf eine Karte, um ihre Visionen umzusetzen. Ihr Mut, sich auszuprobieren, ist unglaublich inspirierend.“
Frauen vor den Vorhang
Neben ihrer Begeisterung für junge Talente setzt Derya sich leidenschaftlich für mehr Sichtbarkeit von Frauen in der Kulinarik ein. Im Rahmen ihrer Masterarbeit widmete sie sich intensiv dem Thema Frauen in der Kulinarik und beleuchtete die Herausforderungen und Stereotype, denen sie begegnen. Ihre Masterthesis, die sie unter dem Titel „Zu viele Köche verderben den Brei“ einreichte, basiert auf fundierten Interviews mit wegweisenden Persönlichkeiten wie Parvin Razavi, Emilia Orth-Blau und Bernadette Bayrhammer. Dabei stieß sie auf tief verankerte Denkmuster, die nicht nur innerhalb der Branche, sondern auch im kulinarischen Journalismus immer wieder reproduziert werden.
Ein prägnantes Beispiel dafür brachte Kathrin Steindl bei der ersten Pressekonferenz der Female Chefs Plattform zur Sprache: „Nach nunmehr zehn Jahren weiblicher Führung unseres Hotels wird in einem Branchenführer noch immer unser Papa als Patron und Hausherr beschrieben.“ Diese Aussage verdeutlicht, wie sehr tradierte Narrative oft den tatsächlichen Gegebenheiten widersprechen.
Für Derya ist klar, dass hier auch Journalistinnen und Journalisten eine besondere Verantwortung tragen. „Recherchieren, wer wirklich die Zügel in der Hand hält, und die Geschichten authentisch erzählen – das ist essenziell, um Frauen die Repräsentation zu geben, die sie verdienen.“
Besonders die Plattform „Female Chefs“, die Frauen aus allen Bereichen der Branche – von der Spitzenköchin bis zur Produzentin – porträtiert und ihre Leistungen würdigt, findet sie wegweisend. „Es ist so wichtig, dass diese Plattform hervorstreicht, was Frauen leisten“, betont sie.
Auch das „Female Wine Collective“, das sie seit Langem unterstützt, ist für Derya ein unverzichtbarer Bestandteil des Wandels. Mit dem Projekt „VOICES GET LOUD!“ geben die Gründerinnen FLINTA*-Personen in der Weinbranche eine Stimme, sammeln Berichte über Diskriminierung und bieten Verbindungen zu professioneller Unterstützung an. „Es ist erschütternd, dass solche Initiativen noch notwendig sind, aber die positive Resonanz zeigt, wie wichtig diese Arbeit ist“, sagt sie. Derya bewundert nicht nur den Einsatz, sondern auch den Mut der Frauen, die sich für eine sicherere und gerechtere Branche starkmachen.
Kulinarik als kreativer Raum
Für Derya ist die Kulinarik kein Ort der Routine, sondern eine Bühne für Experimente, Begegnungen und neue Ideen. Sie ist kein flüchtiger Lifestyle, vielmehr ein pulsierendes Feld, das durch seine Dynamik, Kreativität und Diversität besticht. Besonders fasziniert sie, wie junge Köchinnen und Köche Pop-ups nutzen, um ihre Visionen zu testen und zu verfeinern. „Die Pop-up-Szene zeigt, dass man eine Idee schon mal ausprobieren kann, bevor man sich an den nächsten Schritt wagt.“
An ihrer eigenen Arbeit schätzt Derya die Vielseitigkeit und den Facettenreichtum der Branche. „Ich lerne jeden Tag etwas Neues und begegne so vielen spannenden Menschen.“ Erlebnisse, wie die entspannte Atmosphäre bei „Mraz&Sohn“, wo exzellente Küche auf neue Gepflogenheiten trifft und das ehrliche Konzept von Larissa und Jonathan in ihrem veganen Fine-Dining-Restaurant „Jola“, begeistern sie nachhaltig.
In Deryas Küche dürfen Alpkäse und Butter aus Vorarlberg nie fehlen. „Nach jedem Heimatbesuch bringe ich ein Kilolaib Käse mit nach Wien. Und einmal im Monat lade ich dann zur großen Käsknöpfle-Partie.“
Welche Frau darf auf dieser Plattform auf keinen Fall fehlen?
- Katharina Gessl (Winzerin)
- Marion Topitschnig (Journalistin)
- Rafaela Mörzinger (Journalistin)
- Kira Huber (Sommelière)
- Ivanna Kuspita (Sommelière)
- Nina Gutschi (Service)
- Viola Waldeck (Gastronomin)
- Jungyun Kim (Gastronomin)
- Tina Marcelli (Köchin)
Mit welcher Frau würdest du dich gerne einmal austauschen?
Mit der Journalistin Charlotte Druckman. Sie ist eine prägende Stimme, wenn es um Feminismus und die Darstellung von Frauen in der Gastronomie geht. All jenen, die sich näher mit dem Thema auseinandersetzen möchten, empfehle ich Druckmans Buch „Women on Food“ (2019), in dem sie eine Vielzahl weiblicher Perspektiven der Kulinarikbranche zusammenführt.
Zu diesen Themen hast du etwas zu sagen?
- Verankerte Geschlechterstereotype und die Repräsentation von Frauen im Kulinarik-Journalismus sowie
- junge Bewegungen in der Esskultur.