Helena Jordan

Sommelière und Gastgeberin im Café Capra, St. Valentin 

„Ich bin von meiner Passion her Gastgeberin. Ich würde mich vielleicht eher so vorstellen, denn als Sommelière, obwohl ich vielleicht dafür jetzt eher mehr Fame bekomme.“ 

Text von Martina Baumgartner

Foto © Sophie Kirchner
Foto © Maria Auinger

Ein Besuch im Café Capra in St. Valentin, am nordwestlichen Rand des Mostviertels gelegen, ist quasi eine Win-win-Situation, wenn nicht sogar eine  Win-win-wine. Das Lokal ist optimal gelegen für alle zwischen Wien und Linz – und darüber hinaus direkt an der A1. Man nehme die Ausfahrt St. Valentin, quert die Schienen und schon ist man da. Angesichts des kulinarischen Angebots vielleicht noch besser: Mit dem Öffi anreisen. Denn auch die Verbindung mit der Bahn an der Westbahnstrecke ist hervorragend, das Café Capra nur ein paar Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Für die Öffi-Option spricht nicht nur das gute Gewissen, sondern auch der Umstand, dass das Capra von einer wunderbaren Gastgeberin – Helena Jordan – geführt wird. Sie ist nicht nur Mastermind des Café Capra, sondern Ihres Zeichens auch aktuelle Sommelière des Jahres 2024, gekürt von Gault&Millau. 

Die weit Gereiste ist zu Hause angekommen. Nach Stationen in ebenso vielen herausragenden wie auch legendären Häusern. Helena Jordan kehrte heim und verwöhnt St. Valentin seitdem mit einem (Wein)Bistro, das auch Wien oder Berlin zu den Insidertipps für Foodies und Weinliebhaber zählen würde. Mit ihrem Händchen für feine und außergewöhnliche Tropfen, kann es durchaus vorkommen, dass man noch das ein oder andere Glas genießt, und dann lieber doch das öffentliche Verkehrsangebot in Anspruch nimmt. Es zahlt sich jedes spontan gebuchte Zug- oder Busticket aus …

Die von ihr angebotenen Weine sind easy to drink – alles kann, nichts muss. Das gilt auch für ihre Auszeichnung, die sie als erste Sommelière erhalten hat: „Darauf habe ich nicht extra hingearbeitet, das ist von meiner Seite ganz unbewusst gekommen. So oder so, mache ich zu Hause mein eigenes Ding.“ Damit hält sie es ganz wie die dem Café namensgebende Ziege, ein Tier, dass sich ebenfalls an das hält, was ihr gefällt und was ihr guttut. 

„Das Korsett vom Fine Dining möchte ich gar nicht an meinen Gast im Capra bringen.“
Foto © Pixelcoma
Foto © Stokesix
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Bevor Helena Jordan ihren Weg zurück in ihre Heimat gefunden hat, hat sie es zunächst in die Ferne verschlagen – Ausflüge in die Sternegastronomie inklusive. „Ich habe mir mein gesamtes Leben gedacht: Ich bleibe sicher nicht da, daheim im Mostviertel. Bin ich auch nicht: Ich bin ganz weit weg gewesen und ganz viel weg gewesen.“ Ausgangspunkt dafür war ihre Ausbildung in der HLW Bad Ischl, wo sie sich, dank ihrer Klassenvorständin, mit dem Jungsommelier-Kurs das erste Mal mit dem Thema Wein auseinandersetzte. „Da bin ich das erste Mal in das Thema hineingeschlittert, sozusagen. Sie hat mir sehr imponiert“, ist Helena ihrer damaligen Lehrerin noch heute dankbar. Nach der Schule ging es direkt für ein Jahr nach Florida, bevor sie, zurück in Österreich, in Wien Fuß fasste. Dort hat sie im Alter von 20 Jahren dann auch, „über den traditionellen Weg, mit Wifi und Co.“, den Grundstein für ihre Sommelière-Karriere gelegt. „Da habe ich dann im Tian angefangen, wo wir dann auch den ersten Stern erkocht haben.“ 

Nach einer Weltreise mit „Hands-on“ Schwerpunkt – auch die Weinlese in Südamerika und Spanien standen am Backpacking-Programm – führte sie ihr Weg ins Schloss Schauenstein zu Andreas Caminada, wo sie in die Fundaziun Uccelin aufgenommen wurde. Die Stiftung des 3-Sterne-Kochs hat es sich zum Ziel gesetzt, mit einem außergewöhnlichen internationalen Restaurant-, Köch:innen- und Produzent:innen-Netzwerks, den gastronomischen Nachwuchs zu fördern. Jährlich werden maximal 12 Plätze an Stipendiatinnen und Stipendiaten vergeben – Helena Jordan war eine davon. Für jeweils fünf Wochen konnte sie dadurch unter anderem Praktika bei Tanja Grantis im Stucki in Basel machen, im Schloss Schauenstein höchstselbst, im Blue Hill At Stone Barns und im Per Se in New York. 

Bevor das Café Capra ihre Homebase wurde, war Helena noch in Wien, um an der BOKU Umwelt- und Bioressourcenmanagement zu studieren. „Ich habe mir gedacht, ich möchte Gastronomie grüner denken, nachhaltiger denken – und so habe ich mit 29 Jahren wieder angefangen zu studieren.“ Und mit ihrem ersten Studium kam auch ihr erster Studentenjob im Espresso Burggasse. „Das hat mich sehr inspiriert. Julia Zerzer und Michael Novak sind tolle Vorbilder, wie sie Gastronomie machen.“ So kommt es nicht von ungefähr, dass ihre Weinpräsentation im Café Capra mit integriertem Shop von ihr auch in Anlehnung an den Shop im Espresso konzipiert wurde. Was sie im Espresso gelernt hat, benötige sie in ihrem eigenen Café mehr, als all ihre Erfahrung aus dem Fine Dining, erklärt sie. „Im Fine Dining geht es mehr darum, was im Hintergrund läuft – das sieht man gar nicht so. Daher kommt vielleicht mein Detailbewusstsein, meine Genauigkeit beim Putzen. Aber dieses Korsett vom Fine Dining möchte ich gar nicht an meinen Gast im Capra bringen.“ 

„Weine, die ich erreichen kann, die ich angreifen kann, wo die Menschen dahinter greifbar sind – das sind für mich die Produkte, die Weine, die ich liebe.“

Nach eineinhalb Semestern an der BOKU hat Helena Jordan einen Schlussstrich unter dieses Kapitel gezogen. Zu groß war die Versuchung, das bereits Gelernte selbst gastronomisch umzusetzen und anzuwenden. Sie wurde beratend zur Konzeption eines Cafés hinzugezogen, und hat es schließlich selbst in die Hand genommen: Der Grundstein für das Café Capra war gelegt. Zum Glück ihrer Gäste, welche die Umsetzung ihres regionalen und nachhaltigen Ansatzes genießen. Die Küche bietet saisonale Köstlichkeiten aus der Region, etwa Beef Tartar vom XO Beef aus Gmunden, die Paradeiser stammen vom Bio-Bauern aus Haag, die Kriecherl und Ringlotten aus dem eigenen Garten, Teigwaren und Mehlspeisen werden sowieso selbst gemacht und wenn Tonnato zum Vitello, dann MSC-zertifiziert und angelgefangen. Kurzum: Bei Helena Jordan wird vor allem das kredenzt, wo sie den Ursprung und damit auch die Genusshandwerker:innen dahinter kennt. „Ich schaue, dass es, wo es geht, lokal ist und ich sie persönlich kenne.“ An diesem Vorhaben hält sie im Café Capra fest, und ihr Erfolg, gibt ihr darin recht. 

Foto © Kalk und Kegel

Sie kennt nahezu alle Winzerinnen und Winzer, deren Weine sie im Capra anbietet, persönlich. „Naturnah, so bewusst wie möglich“, lautet ihre Devise – die Bandbreite sind fein ausgewählte Köstlichkeiten vom Pet Nat und Brut Nature über Furmint, Souvignier Gris und Muscaris bis hin zum Welschriesling von Hanna Glatzer, Roten und Grünen Veltliner, um nur einige wenige aufzuzählen. Ohne Volumprozent sollten auf jeden Fall der Verjus Isabella und Verjus Weißer Pfeffer verkostet werden. Ihr Geheimrezept (das ihrer Aussage nach gar nicht mehr so geheim ist): „Ich frage immer genau, was den Leuten schmeckt, und versuche ihre Sprache dann in Wein zu übersetzen. Ich frage: ‚Was trinkst du normalerweise‘, und wenn es dann heißt ‚Big John von Scheiblhofer‘, dann weiß ich, in welche Richtung wir gehen sollen.“

„Und dann kommt auf einmal – out of the blue – diese Auszeichnung.“ 

Helena Jordan sieht sich selbst als Gastgeberin – das ist auch ihren vorherigen Stationen in Sternerestaurants geschuldet. Im Maaemo war sie explizit Restaurantleiterin, ebenso bei Juan Amador in Wien. „Ich habe mich schon viel mehr um Menschen gekümmert als um Weine.“ Erst als sie wieder in St. Valentin war und das Café Capra ins Leben rief, traute sie sich wieder eine eigene Weinkarte mit ihrer ganz persönlichen Signatur zu. Zu unserem Glück, denn in die Weinkarte und in das Regal kommt nur, was Helena selbst kennt, was ihr schmeckt, was sie ausgesucht hat – kompromisslos, dafür umso ehrlicher. Wenn sie den Wein beschreibt, seine Herkunft, die Winzerin und den Winzer dahinter, freut man sich auf den Erstkontakt am Gaumen. Man spürt die Authentizität und Leidenschaft der Gastgeberin, man schmeckt sie beim Wein im Glas. Aus dem Nichts kommt dann eine Auszeichnung daher. Nicht irgendeine: Erstmals bekommt sie 2024 kein Sommelier, sondern eine Sommelière von Gault&Millau überreicht. Und dann ist es gleich der Titel „Sommelière des Jahres 2024“. Man hört im Gespräch mit ihr nicht nur Selbstzweifel heraus, sie spricht ihre damalige Stimmung auch offen an: „Um ehrlich zu sein: Es ist mir eigentlich fast unangenehm gewesen. Es hat ein bisschen einen Zwiespalt bei mir gegeben.“ Sie hat mit vielen Kolleginnen darüber gesprochen, heute weiß sie, dass es durchaus auch mit dem Capra zu tun hat: Es war bis zu Helena Jordan jeder hauptberuflich Sommelier, kein Geschäftsführer. Nun ist sie nicht nur die erste Frau mit diesem Titel, sie ist auch Geschäftsführerin. „Mein Jobtitel ist ‚Mädchen für alles‘.“ Da gehört jetzt mal die Auswahl von Weinen ebenso dazu wie die Lohnverrechnung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Zusammengefasst hält sie fest, dass ihr die Auszeichnung „Sommelière des Jahres 2024“ viel gebracht hat – nicht zuletzt auch bei Events, für die sie gebucht wird und die Helenas Titel gerne nach außen transportieren. 

Foto © Juliana Tasler
Foto © Pixelcoma

Wenn sie ihre Skills in einem Bereich gerne erweitern würde, wo wäre das? „Beim Klavierspielen“, kommt es sofort als Antwort. Denn: „Ich wäre gerne kreativer beziehungsweise würde mich gerne mit kreativeren Dingen auseinandersetzen. Fürs Capra wäre ich lieber weniger Weinkauf-süchtig.“ Gut für uns, dass sie zweiteres nicht in die Tat umsetzt: Denn so kommen wir in den Genuss der wunderbaren Weinauswahl von Helena Jordan. 

Mit welcher Frau arbeitest du gerne zusammen?

Auf jeden Fall Theresia Palmetzhofer – und natürlich mit Sandra Scheidl, aber sie ist eine sehr gute Freundin von mir, das zählt ja dann fast nicht. (lacht) 

Die Weine welcher Winzerin sollte man gerade trinken?

Ganz klar: Hanna Glatzer. Sie fokussiert sich auf ganz wenig, macht nur drei bis vier Weine – und ihr Welschriesling mit nur 10,5 Volumenprozent Alkohol ist einfach der Grund, warum man wieder Welschriesling trinkt. Für mich ist sie das perfekte Beispiel für Orange Weine, die man auch Klassik-Weintrinkern einschenken kannst – sie merken schon, dass irgendetwas anders ist, aber es ist nicht orange. 

Hast du ein Sommelière- oder Sommelier-Vorbild?

Das ist definitiv Aldo Sohm für mich. Ich war im Le Bernardin essen, und hab ihn als einen extrem offenen, lustigen, immer noch sehr tirolerischen Menschen in New York City kennengelernt, der total nett war. 

Warum sollte man als Frau in die Gastro gehen?

Es ist einfach die Möglichkeit, internationale Erfahrung zu sammeln und ins Ausland zu gehen. Ich habe schon so viel gemacht – deswegen ist es jetzt auch daheim schön. 

Kontakt

Café Capra

Helena Jordan

Langenharter Straße 18 

4300 St. Valentin

Tel: 0043 677 641 207 33

Web: https://capra.at 

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