Female Chefs Podiums-diskussion
„Warum sind in der Kulinarik-Branche bis auf wenige Ausnahmen nur Männer bekannt?“
Fotos © Christian Husar
„Warum sind in der Kulinarik-Branche bis auf wenige Ausnahmen nur Männer bekannt?“ Dieser Frage und anderen widtmeten sich Karin Stöttinger, Gründerin der Plattform Female Chefs mit hochkarätigen weiblichen Spitzenkräften in einer Podiumsdiskussion am 20. November 2023 im Miele Experience Center in Wien.
Weibliche Spitzenkräfte in der Kulinarik: Podiumsdiskussion im Miele Experience Center beleuchtet die Branche
Die Diskussion spiegelte die Vielschichtigkeit der Herausforderungen wider, denen Frauen in der Branche gegenüberstehen. Dabei wurden zentrale Fragen thematisiert, darunter die (Nicht)Sichtbarkeit von weiblichen Spitzenkräften, die Rolle von Social Media, das Image der Gastronomie-Branche, die Wichtigkeit von Netzwerken und die Herausforderungen in der Ausbildung. Christl Döllerer, eine der renommiertesten Gastgeberinnen Österreichs, betonte die persönliche Note im Service und erklärte, warum für sie ein Foto nicht notwendig ist, um ihre Arbeit zu repräsentieren. Viktoria Fahringer, die bereits mit 20 Jahren den elterlichen Betrieb übernahm, betonte die Notwendigkeit von Selbstvermarktung und den Einfluss der sozialen Medien auf ihre Karriere. Die Unterwirtinnen, Katrin und Sabrina Steindl, unterstrichen die Bedeutung von Diversität und Selbstpositionierung in einer männerdominierten Branche. Marlene Kelnreiter, als Quereinsteigerin in der Welt der Sennerinnen und Käserinnen, betonte die Solidarität unter den Frauen in ihrem Netzwerk. Larissa Andres, Inhaberin des veganen Fine Dining Restaurants JOLA, teilte ihre Erfahrungen mit der Schwierigkeit, als Frau in der Branche sichtbar zu sein. Sie hob die Bedeutung von weiblichen Vorbildern hervor und betonte, wie diese dazu beitragen können, andere Frauen zu inspirieren und zu vernetzen.
Podiumsteilnehmerinnen:
Das hochkarätig besetzte Podium umfasste herausragende Persönlichkeiten aus verschiedenen Bereichen der Kulinarik. Die Diskussion wurde von Karin Stöttinger und Miele Ambassador und kürzlich mit 5 Hauben dekorierten Spitzenkoch Andreas Döllerer moderiert. Am Podium wurden herausragende Persönlichkeiten aus der Kulinarik-Branche begrüßt, darunter Christl Döllerer, die Andreas Döllerer als erstes auf das Podium holte. Er begrüßte sie mit den Worten „Christl ist das Herz und das Hirn in unserem Betrieb.“ Weitere Diskutantinnen waren Katrin und Sabrina Steindl die Betreiberinnen des Traditionsunternehmens in Ebbs „Der Unterwirtin“, Viktoria Fahringer, Österreichs jüngste Haubenköchin und Hoteliere von Viktorias Home in Kufstein, Marlene Kelnreiter Sennerin, Käserin, Autorin und Larissa Andres, Inhaberin des Restaurants JOLA in Wien. Jede dieser Frauen brachte ihre einzigartige Perspektive und Erfahrung in die Debatte ein.
Die Diskussion eröffnete mit einem Blick auf die Geschichte der Sichtbarkeit von weiblichen Spitzenkräften in der Branche. Historische Größen wie Lisl Wagner-Bacher und Johanna Maier waren zwar präsent, aber im Vergleich zu männlichen Kollegen oft unaufdringlich. Heutzutage stehen Männer wie Stefan Hensler oder Tim Melzer im medialen Fokus. Die Frage, die sich aufdrängt: Muss man wirklich wie Tim Mälzer eine Rampensau sein, um gesehen zu werden? Und braucht das Publikum wirklich derbe Sprüche zur Unterhaltung?
Muss man eine Rampensau, wie Tim Mälzer sein, um gesehen zu werden?
Viktoria Fahringer, Österreichs jüngste Haubenköchin, die auf Social Media sehr aktiv ist und im Fernsehen auch bei den cooking comedian zu sehen ist, ist überzeugt, dass man sich schon bewusst ins Rampenlicht stellen muss, um gesehen und gehört zu werden. Ins Fernsehen ist sie zufällig hineingerutscht. Durch ihre beruflichen Erfolge sind die Medien auf sie aufmerksam geworden und so ging es dann Schlag auf Schlag. „Um gesehen zu werden, muss man selbst auch sehr outgoing sein“, ist Viktoria überzeugt. Wenn man sich versteckt, so wird man nicht gesehen werden. Und das schöne ist, dass wenn man erfolgreich ist, auch inspirieren kann. Und so etwas funktioniert nur, wenn man outgoing ist. Daher ist es schon wichtig, sich bewusst auch ins Rampenlicht zu stellen und den Moment auch genießt.
Die Frage an Marlene Kelnreiter, die auch immer eine Fotografin mit auf den Almen hat und einen hochprofessionellen Social Mediaauftritt betreibt, ob man in der heutigen Zeit eine Produzentin sein, ohne auf Social Media zu sein beantwortete die Sennerin und Käserin ganz ehrlich mit „ich weiß es nicht“. Aber für sie ist Social Media naheliegend. „Zum einen, sind die Menschen, wenn man sich umschaut, ständig am Handy und somit in einem virtuellen Raum. Und für das, was ich mache, passt das sehr gut, weil ich auch nicht nur an einem Ort verankert bin, sondern sehr nomadisch unterwegs bin. Und für mich ist es eine persönliche Bereicherung, wenn ich auf die Alm gehe, um Käse zu machen, wo ich sehr kreativ sein kann und Inspiration bekomme.
Für die Unterwirtinnen, Katrin & Sabrina Steindl, ist Diversität besonders wichtig – nämlich in allen Richtungen. Das sieht man auch in anderen Branchen, wie beispielsweise der Musikbranche, wo es auch Raum für sämtliche Genres gibt und die wiederum die verschiedensten Formen der Aufmerksamkeit nutzen. „Wir glauben, dass die öffentliche Sichtbarkeit egal ist, ob diese im TV oder auf Social Media passiert, hauptsache sie findet statt. Wir haben persönlich den Eindruck, dass es für die Außenwirkung sehr wichtig ist, wie man sich selbst positioniert und sich selbst auch ernst nimmt. Und so kann man auch in einer männerdominierten Branche Raum, Sichtbarkeit, eine Stimme und Mitspracherecht gewinnen“, sind die Unterwirtinnen überzeugt.
Andreas Döllerer, ehemaliger Präsident und nun mehr Ehrenpräsident der Jeunes Restaurateurs hat sich immer schon eingesetzt, dass verstärkt Paare abgebildet werden, weil es eben sehr oft bei die Struktur von Betrieben ist, dass ein Paar gemeinsam den Betrieb führt und meistens nur der Koch fotografiert wird. Dabei hat Döllerer aber auch beobachtet, dass es seitens der Damen sehr oft eine Scheu gegeben hat, sich fotografieren zu lassen. Der Frage, warum das so ist, wollte Andreas Döllerer auf den Grund gehen und richtete diese Frage gleich an seine Frau, die sich in Vergangenheit auch ungern fotografieren ließ.
“Wir im Service haben täglich unseren Auftritt und sind näher am Gast als der Mann in der Küche. Mein Mann ist hier sicherlich eine Ausnahme, denn es gibt viele Köche, die überhaupt nicht zum Gast gehen. Für mich war es immer die Aufteilung, dass er dafür sorgt, dass Gäste zu uns kommen und ich kümmere mich dann um diese und sorge dafür, dass sie sich bei uns wohlfühlen. Gerade das Zwischenmenschliche ist für mich sehr wichtig. Dafür muss ich nicht auf einem Foto sein“; erklärt Christl Döllerer.
Worauf Larissa Andres meinte „Also bei uns ist es genau umgekehrt. Der Jonathan will nicht vor der Kamera stehen. Ihm ist das super unangenehm. Wir sind auch beide immer draußen. Aber es ist ihm selbst unangenehm, wenn ihm Leute Komplimente machen“. Sie fand es im Rahmen ihrer Eröffnung, etwas befremdlich, dass sämtliche Presseanfragen oder Interviews sie gegeben hat, ihr Name aber dann in den Printausgaben aber rausgenommen wurde. „Es ging mir gar nicht darum im Rampenlicht zu stehen. Aber für mich wäre es toll gewesen, wenn ich damals als junges Mädchen eine Frau als Vorbild gehabt hätte zu der ich aufschauen hätte können. Daher denke ich mir jetzt, dass es doch wichtig ist, dass man sichtbar ist, damit sich andere Frauen mit einem vernetzen können und man auch gemeinsam über etwas nachdenken kann.
Herausforderungen und Perspektiven:
Ein Thema war auch die Frage, warum so viele weibliche Lehrlinge die Branche verlassen und warum es trotz vieler Talente immer noch wenige weibliche Küchenchefs gibt. Die Diskutantinnen beleuchteten veraltete Ansichten in der Ausbildung und rauhe Umgangsformen in manchen Küchen als Barrieren. Die Notwendigkeit eines positiveren Images der Gastronomie-Branche wurde betont, um mehr Frauen anzuziehen.
„Dieses Phenomen ist sicherlich nicht so einfach zu erklären, da gibt es eine Anzahl verschiedener Gründe und Aspekte. Zum einen gibt es sehr oft in der Ausbildung noch veraltete Ansichten, dass beispielsweise die Burschen zum Fleisch kommen und die Mädels zum Gemüse und Salat waschen. Mädchen müssen sich oft noch mehr anstrengen und besser sein als Burschen, um wahr und ernst genommen zu werden. Und dann herrschen in vielen Küchen immer noch rauhe und derbe Umgangsformen, die zum Teil schon sexuelle Belästigungen sind. Und da muss man schon einen sehr starken Charakter und Durchhaltevermögen haben, um in dieser Branche zu überleben“, sind die Unterwirtinnen überzeugt.
Netzwerke und Solidarität:
Ein optimistischer Ausblick auf die Zukunft zeigte sich in der Diskussion über Netzwerke und Solidarität. Hier hat es in den vergangenen Jahren grundsätzliche Veränderungen gegeben. So steht bei der jungen Generation nicht mehr das Konkurrenzdenken im Vordergrund, sondern das Netzwerken und gegenseitige lernen vom anderen. Marlene Kelnreiter, als Quereinsteigerin im Käsehandwerk, betonte die Solidarität, die sie von anderen Käserinnen erfahren hat. Viktoria Fahringer sprach über die Veränderungen in der Denkweise der jungen Generation, die nicht mehr Konkurrenz, sondern Netzwerken und Lernen voneinander in den Vordergrund stellt.
Fazit:
Die Diskussion schloss mit einem eindeutigen Appell für mehr Gleichberechtigung, Diversität und Netzwerkpflege in der Kulinarik-Branche. Die Diskutantinnen betonten die Wichtigkeit, die Sichtbarkeit von Frauen zu erhöhen, um nicht nur als Expertinnen anerkannt, sondern auch als Vorbilder wahrgenommen zu werden.