Thi Ba Nguyen

Älteste Haubenköchin der Welt, Küchenchefin und Restaurantinhaberin des Restaurant VINA, Graz

„Kochen ist für mich pure Leidenschaft. Wenn man nicht gerne kocht, wird auch das Essen nicht so gut schmecken.“

Foto © Phil Lihotzky

Als ich in einer Presseaussendung erstmals von der beeindruckenden Lebensgeschichte der ältesten Haubenköchin der Welt erfuhr, war meine Neugier geweckt. Ihre Wurzeln in der vietnamesischen Küche und ihr außergewöhnlicher Werdegang haben mich interessiert. Da ich ein großer Fan der Stadt Graz bin, in der Thi’s Restaurant VINA liegt, war ich umso gespannter, mehr über diese inspirierende 83-Jährige zu erfahren. Umso mehr habe ich mich über ihre sofortige Zusage für dieses Interview gefreut.

Ich freue mich also sehr, sie hier porträtieren zu dürfen. Das Interview erfolgte in schriftlicher Form. Liebe Thi Ba Nguyen, vielen Dank für die ehrlichen Einblicke in dein Leben.

„Die vietnamesische Küche ist leicht und harmonisch – sie balanciert süß, salzig und sauer perfekt aus und spricht alle Geschmackssinne an.“
Foto © Paul Ott

Wie würden Sie Ihren Lebensweg beschreiben? Welche Stationen haben Sie besonders geprägt?

Mein Leben war stets geprägt von Höhen und Tiefen – genau diese Herausforderungen haben mich stark gemacht. Besonders prägend war der Moment, als wir unser Land verließen und uns ins Unbekannte wagten. Schwanger mit meinem Sohn Robert floh ich nach Österreich. Der Anfang war schwierig, vor allem wegen der Sprachbarriere. Doch als Robert vier Jahre alt war, bot sich mir die Gelegenheit, in der Küche der Schulschwestern zu arbeiten. Diese Chance erleichterte mir den Start, half mir, das Land besser kennenzulernen, und gab mir die Möglichkeit, Fuß zu fassen.

Gab es einen Moment, in dem Sie wussten, dass die Küche Ihr Zuhause ist? Oder entwickelte sich das über die Jahre?

Die Küche war schon in meiner Jugend mein Zuhause. Ich habe immer leidenschaftlich für meine Eltern, Geschwister und die Familie gekocht. Es war nie eine Pflicht, sondern immer eine Freude.

Foto © Phil Lihotzky

Sie stehen seit über sieben Jahrzehnten am Herd. Wie hat sich Ihr Blick auf das Kochen über die Jahre verändert? Welche Entwicklungen in der Gastronomie begeistern oder beschäftigen Sie heute?

Für mich persönlich war die größte Entwicklung, in solchen großen Mengen zu kochen. Obwohl ich es gewohnt war, für eine große Familie zu kochen, war das eine enorme Steigerung. Vom kleinen Imbiss über ein Restaurant am Grieskai bis hin zum heutigen VINA in der Kalchberggasse, war dies ein steter Anstieg, sowohl in der Menge als auch in der Qualität unserer Gerichte.

Was bedeutet es für Sie, in der Küche zu stehen? Was macht diese Tätigkeit für Sie so besonders?

Für mich ist es ein Herzensanliegen, das Essen so zuzubereiten, dass es allen schmeckt. Gäste sollen mit einem Lächeln und einem vollen Bauch nach Hause gehen. Kochen ist für mich pure Leidenschaft. Wenn man nicht gerne kocht, wird auch das Essen nicht so gut schmecken.

Foto © David Günzberg
"Für die Gastronomie wünsche ich mir, dass alte Rezepte erhalten bleiben und nicht in Vergessenheit geraten."

Was bedeutet für Sie die Auszeichnung als älteste Haubenköchin der Welt?

Mich ehrt die Auszeichnung sehr, es ist ein tolles Gefühl und ich hätte nie gedacht, dass so etwas möglich ist.

Woher schöpfen Sie Ihre Kreativität und Energie für neue Gerichte oder Konzepte?

Für die Entwicklung neuer Gerichte ist mein Sohn Robert Nguyen zuständig.

Ihr Restaurant verbindet Tradition und Fine Dining. Wie schaffen Sie den Spagat zwischen Authentizität und Innovation?

Innovation ist schön und wichtig, aber mir liegt vor allem die traditionelle Küche am Herzen. Mein Sohn Robert bringt mit seinen Ideen die nötige Innovation ins Spiel, probiert Neues aus und entwickelt sich stetig weiter. Ich unterstütze ihn beratend und verkoste gern seine Kreationen. Meine Berufung sehe ich jedoch darin, den Gästen die traditionelle vietnamesische Küche nahezubringen.

Foto © Phil Lihotzky

„Mit dem Alter lernt man, dass alles seine Zeit braucht.“ Welche Erfahrung hat Sie in Ihrem Beruf am meisten überrascht oder Ihre Sichtweise verändert?

Die größte Herausforderung war es, die großen Mengen zu bewältigen. Das war ein wichtiger Lernfortschritt für mich.

 

Die Küche ist für Sie Heimat. Gibt es eine Zutat, ein Gericht oder eine Technik, die Ihre Arbeit besonders prägt?

Handarbeit ist mir enorm wichtig. Ich verzichte auf Fertigprodukte und setze auf authentische Zubereitung. Zum Beispiel werden unsere Frühlings- und Sommerrollen ausschließlich von Hand gefüllt und gerollt. Es ist ein großer Aufwand, aber der Geschmack ist es wert.

 

Was fasziniert Sie an der vietnamesischen Küche? Wie beeinflussen Ihre persönlichen Erfahrungen Ihre Arbeit?

Die vietnamesische Küche ist leicht und harmonisch. Ihr besonderer Reiz liegt in der Vielfalt der Aromen – süß, salzig und sauer sind perfekt ausbalanciert und sprechen alle Geschmackssinne an.

Foto © David Günzberg

Ihr Lieblingsgericht ist Pho. Was macht diese Suppe für Sie so besonders?

Pho ist ein langwieriger Prozess, der viele Stunden dauert. Das Besondere ist die Klarheit der Suppe. Durch die Zugabe zahlreicher Zutaten wird sie zunächst trüb, doch durch Abschöpfen und Filtern wird sie klar, ohne an Geschmack einzubüßen. Dieser Prozess fasziniert mich immer wieder.

Sie sind eine Inspiration für viele. Welche Werte oder Weisheiten möchten Sie an die nächste Generation von Köch:innen weitergeben? Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Gastronomie?

Man darf niemals aufgeben. Ohne Fleiß, kein Preis. Nur so kommt man an seine Ziele. Und man muss hinter seinen Gerichten stehen. Für die Gastronomie wünsche ich mir, dass alte Rezepte erhalten bleiben und nicht in Vergessenheit geraten.

Welchen Ratschlag würden Sie Ihrem jüngeren Ich geben?

Auch wenn manche Situationen schwierig erscheinen – es gibt immer einen Weg!

Foto © Phil Lihotzky

Haben sich Ihre Gäste über die Jahre verändert? Erwarten sie heute eine andere Form der Gastfreundschaft?

Unser Publikum ist im Laufe der Jahre gewachsen, auch durch die Erweiterung des Platzes in unserem Restaurant. Die Liebe zu unserer Küche ist unverändert, aber unsere Gäste haben sich nicht verändert.

Was hat Sie zuletzt im Leben oder Beruf besonders berührt?

Am meisten berührt mich das Wachstum in den letzten Jahren. Die Eröffnung des neuen VINA erfüllt mich mit großem Stolz.

Welcher Duft, Geschmack oder Moment erinnert Sie immer an Ihre Kindheit?

Der Duft der Lotusblume, weil er in Vietnam allgegenwärtig ist. Ebenso der unverwechselbare Geruch der Fischsauce. 😊

Foto © David Günzberg

Zu welchen Themen würden Sie gerne einmal auf der Bühne sprechen?

Das Kochen ist mein Leben und zieht sich wie ein roter Faden hindurch. Es gibt kein Thema, über das ich lieber sprechen würde.

Mit welcher Frau würden Sie gerne an einem Tisch sitzen und plaudern?

Ich schätze den Austausch mit Menschen, die wie ich eine Leidenschaft fürs Kochen haben. Besonders bewundere ich die fleißigen Frauen in unserem Team, die verstehen, wie viel Hingabe und Arbeit nötig sind, um authentische vietnamesische Gerichte zuzubereiten.

Kontakt

Thi Ba Nguyen

Restaurant VINA
Kalchberggasse 7, 8010 Graz

hello@vina-restaurant.at

www.vina-restaurant.at

+43 676 5772587

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